Joseph Schwarz (1903–1943)
Auch Pfarrer waren Teil der Häftlingsgemeinschaft des KZ Sachsenburg. Joseph Schwarz und Ludwig Kirsch gehören zu den katholischen Geistlichen, die im Jahr 1935 der Willkür der SS-Wachmannschaften ausgesetzt waren.
Pfarrvikar Joseph Schwarz wurde am 13. September 1903 in der Ortsgemeinde Reichweiler (Bezirk Koblenz) als Sohn eines katholischen Landwirts geboren. Er wuchs in einem Diasporagebiet auf, in der die Hälfte der Einwohner evangelischen Glaubens war. Nach dem Besuch der Volksschule in Reichweiler war er eine Zeit lang Zögling im Missionshaus St. Wendel. Danach absolvierte er das Staatliche Gymnasium in St. Wendel. Dort legte er am 25. September 1925 mit Erfolg die Reifeprüfung ab.
Nachdem eine Aufnahme in das Priesterseminar in Trier gescheitert war, wandte er sich am 8. April 1926 an das Priesterseminar in Meißen. Trotz seines für damalige Verhältnisse fortgeschrittenen Alters (22 ½ Jahre) erklärte sich der Bischof von Meißen bereit, ihn als Theologiestudent des Bistums aufzunehmen. Daraufhin begann er das Studium am Priesterseminar in Fulda, in dem er die philosophisch-theologische Ausbildung absolvierte. Danach wechselte er an das bistumseigene, erst im Mai 1927 eröffnete Priesterseminar in Schmochtitz (heute Ortsteil von Bautzen), um dort die pastorale Ausbildung vor der Priesterweihe zu erhalten. Am 26. Juli 1931 war es dann soweit: Joseph Schwarz wurde in Bautzen zum Priester geweiht. Bevor er im April 1932 Kaplan in der Herz-Jesu-Gemeinde in Dresden-Johannstadt wurde, war er ein dreiviertel Jahr in der Pfarrei St. Franziskus Xaverius in Dresden-Neustadt tätig. Er wohnte fortan im Haus Borsbergstraße 12, das vom Katholischen Pfarramt Dresden angemietet worden war.
Die Machtergreifung der Nationalsozialisten hatte auch für die rund 205 000 Katholiken (1933) in Sachsen Folgen, auch wenn die Katholische Kirche zunächst nicht Gegenstand besonderer staatlicher Willkür war. Doch zeigten sich bereits im Sommer 1933 erste Konflikte, etwa um die Jugendseelsorge in den katholischen Vereinen. Dies betraf auch die Jugendarbeit des Kaplans Joseph Schwarz in Dresden-Johannstadt.
Im Jahr 1935 verschärfte sich schlagartig die Lage für die katholische Kirche. Zwischen März und Oktober 1935 wurden Geistliche und Mitarbeiter im Freistaat Sachsen verhaftet. Dies betraf unter anderem die Kaplane Joseph Schwarz und Fritz Kenter in Dresden. Joseph Schwarz informierte das Ordinariat am 8. Juni 1935 über seine Verhaftung. Vier Tage später wurde er in das KZ Sachsenburg eingeliefert. Die Verhaftung wurde mit dem angeblichen „Verbreiten staatszersetzender Flugschriften“ begründet. Die Vorwürfe konnten im Falle Schwarz allerdings von den NS-Behörden nicht hinreichend belegt werden. Schwarz schrieb in einem Brief am 10. Oktober 1935 dem Bischof von Meißen Dr. Petrus Legge (1882−1951), dass die Haftzeit für ihn „seelisch und dadurch auch körperlich immer schwerer“ werde. Ob er mit den körperlichen Qualen auf den Umstand hinweisen wollte, dass er im Lager misshandelt wurde, kann nur vermutet werden. Aus dem Schreiben mit dem Briefkopf vom „Konzentrationslager Sachsenburg“ ist auch ersichtlich, dass der Pfarrvikar dem 3. Zug der II. Gefangenen-Kompanie zugeordnet war.
In seiner Eigenschaft als Militärseelsorger der Kasernen in Chemnitz und Frankenberg hatte Pfarrer Ludwig Kirsch am 2. August 1935 das Konzentrationslager besucht. Am Folgetag wandte er sich mit einem Schreiben an die Kommandantur und bemängelte, dass jede persönliche Seelsorge an den Gefangenen, im Unterschied von dem in Zuchthäusern und Gefängnissen geltenden Recht, verboten war. Er bot an, für die katholischen Gefangenen monatlich einen Gottesdienst abzuhalten. Darüber hinaus wollte er „aus Gründen der Menschlichkeit“ einem schwer erkrankten katholischen Gefangenen seelsorgerisch beistehen. Ob er damit Kaplan Schwarz meinte, lässt sich derzeit nicht belegen. Zur seelsorgerischen Tätigkeit von Pfarrer Kirsch in Sachsenburg sollte es aber nicht kommen, da er selbst am 3. September 1935 von der Gestapo aufgrund eines Schreibens, in dem er sich gegen die Zwangssterilisationen von psychisch kranken, geistig behinderten oder sozial auffälligen Männern und Frauen aussprach, in „Schutzhaft“ genommen und drei Tage später in das KZ Sachsenburg verbracht wurde.
Joseph Schwarz hoffte „auf Gottes Barmherzigkeit“. Der Bischof von Meißen ermutigte ihn, in dieser Zeit „sein Kreuz zu tragen und die Hoffnung nicht aufzugeben“. Pfarrer Kirsch bat den Bischof „um betende Hilfe“, doch konnte dieser nur bedingt helfen, da er am 9. Oktober 1935 auf einer Firmungsreise in Altenburg (Thüringen) selbst verhaftet und am 23. November 1935 von der Strafkammer beim Landgericht Berlin wegen „fahrlässiger Devisenverschiebung“ zu einer Geldstrafe von 100.000 Reichsmark verurteilt worden war. Bei der Verurteilung des Bischofs spielten auch politische Motive eine Rolle.
Am 20. Dezember 1935 wurden Kaplan Schwarz und Pfarrer Kirsch aus der Haft entlassen. Kaplan Kenter hingegen wurde im Februar 1936 vor dem Volksgerichtshof in Berlin zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Am 15. März 1936 übernahm Joseph Schwarz als Pfarrvikar die Seelsorge der Katholiken in Hainichen (Sachsen). Die Pfarrvikarie war seit 1904 eine Außenstelle der Pfarrei St. Joseph in Chemnitz. Am 22. März feierte er seinen ersten Gottesdienst in der Schulaula und wurde von Pfarrer Ludwig Kirsch in sein Amt eingeführt. Joseph Schwarz war in der Gellert-Stadt der erste ständige Priester nach der Reformation und wohnte fortan im Haus Wilhelmstraße 11 (jetzt Poststraße).
Kaum hatte der neue Pfarrvikar sein Amt angetreten, stand er vor ungeahnten Herausforderungen. Auf Druck der NS-Behörden wurde der Gemeinde das St. Josefheim (Albertstraße 10), das erst am 25. März 1934 geweiht worden war, gekündigt. Mit Hilfe des Bischofs von Meißen Dr. Petrus Legge konnten Pfarrvikar Joseph Schwarz und Kaufmann Simon Köst, der engagierte Laienführer der 1926 gegründeten „Vereinigung der Katholiken von Hainichen und Umgebung“, im Juli 1936 den Bonifatius-Verein in Paderborn als Träger für die Baukosten einer eigenen Kirche gewinnen. Ausführender Baumeister wurde Dipl.-Ing. Willi Fischer in Hainichen. Die feierliche Grundsteinlegung durch den Chemnitzer Erzpriester Wilhelm Neugebauer fand am 6. Dezember 1936 unter Mitwirkung von Pfarrer Kirsch und Pfarrvikar Schwarz statt. Auch die Geistlichen der evangelisch-lutherischen Kirche in Hainichen nahmen daran teil. Bereits am 9. Mai 1937 erfolgte die feierliche Segnung der neuen Kirche zu Ehren des Hl. Bruder Konrad von Parzham durch den Bischof von Meißen Dr. Legge, der erst einige Wochen zuvor aus seinem von den NS-Behörden verordneten „Exil“ im Erzbistum Paderborn nach Sachsen zurückgekehrt war. Die Weihe der Kirche fand am 12. September 1937 statt.
Pfarrvikar Joseph Schwarz litt fortwährend an den Spätfolgen der Haft in Sachsenburg. Sein ohnehin geschwächtes Herz erholte sich nicht. Pater Thaddäus Roth vertrat ihn daraufhin ab dem 28. Mai 1943. Joseph Schwarz verstarb nach langem Leiden am 20. Juni 1943 im Krankenstift Dresden-Friedrichstadt. Er wurde nicht einmal 40 Jahre alt. Am Folgetag fand in der St. Michael-Kirche in Dresden eine Trauerfeier statt. Der Leichnam wurde anschließend nach Reichweiler überführt, um in der Heimat beigesetzt zu werden. Pfarrer Dr. Paul Hornig übernahm am 1. Oktober 1943 die Seelsorge der Hainichener Katholiken.
Seit dem 20. September 2016 erinnert ein Stolperstein vor dem Haus Poststraße 11 in Hainichen an das Wirken des Pfarrvikars.
Text: Dr. Jürgen Nitsche
Zur Person
Nachname: | Schwarz |
Vorname: | Joseph |
Nation/Land: | Deutschland |
Geburtsdatum: | 13.09.1903 |
Geburtsort: | Reichweiler (Bezirk Koblenz) |
Sterbedatum: | 20.06.1943 |
Sterbeort: | Dresden |
Letzter frei gewählter Wohnort: | Hainichen (Sachsen) |
Begräbnisstätte: | Friedhof Reichweiler |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
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Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
Quellen: Diözesanarchiv des Bistums Dresden-Meißen in Bautzen, Personalunterlagen Pfarrchronik von St. Konrad in Hainichen, freundlicherweise von Frau Dr. Ilona Gläser (Hainichen) zur Verfügung gestellt Birgit Mitzscherlich, Kaplan Joseph Schwarz, in: Gemeindebrief. Herz-Jesu-Gemeinde Dresden-Johannstadt, Nr. 2, 2019, S. 18f.
Weiterführende Literatur:
Birgit Mitzscherlich, Das Bistum Meißen in der NS-Zeit, in: Clemens Vollnhals (Hrsg.), Sachsen in der NS-Zeit, Leipzig 2002, S. 143-154 sowie dies., Diktatur und Diaspora : das Bistum Meißen 1932 - 1951, Paderborn 2005.
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