Fritz Matschke (1899–1945)
Der frühere Chemnitzer Stadtverordnete Fritz Johannes Matschke wurde am 16. Dezember 1899 als Sohn eines Schuhmachers und Kurzwarenhändlers in Chemnitz geboren. Bereits als Kind erlebte er Not und Mangel im Elternhaus. Er besuchte die XIX. Bezirksschule (Andréschule) auf dem Kaßberg. Der bekannte Lehrer Carl Hermann Schiersand, der von 1904 bis 1933 Stadtverordneter war, war sein Klassenleiter. Nach erfolgreichem Schulabschluss erlernte er in der Werkzeugfabrik H. F. Schnicke den Beruf eines Eisendrehers.
Der Erste Weltkrieg (1914-1918), der besonders ab Frühsommer 1916 Hunger und Mangel für die Zivilbevölkerung bedeutete, bewirkte, dass sich der junge Matschke frühzeitig für die Ziele der Arbeiterbewegung einsetzte. So wurde er bereits als Lehrling Mitglied des einflussreichen Deutschen Metallarbeiterverbandes (DMV). 1919 trat er in die erst wenige Monate zuvor gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) ein. In dieser Zeit unterstützte er als Kassierer auch die Arbeit der Roten Hilfe Deutschlands, einer KPD-nahen Hilfsorganisation.
Am 7. August 1921 vermählte sich Fritz Matschke in Hülsen (heute Landkreis Fallingbostel) mit der Arbeiterin Rosa Worschech. Die um vier Jahre ältere Maurertochter hatte 1917 auch bei Schnicke eine Arbeit gefunden. Die Eheleute hatten zwei Töchter: Gerda und Elfriede. Seit Mitte der 1920er-Jahre wohnte die Familie in einem Mietshaus auf dem vorderen Kaßberg in Chemnitz. In der Firma Schnicke war Matschke Vertrauensmann des DMV und Mitglied des Betriebsrates. Innerhalb der DMV-Agitationskommission im Stadtteil Nord gehörte er zu den Verfechtern einer klassenkämpferischen Linie. Es war vor allem sein Verdienst, dass die KPD-nahen Vertreter im DMV in den Jahren 1926/27 dort zunehmend an Einfluss gewannen. Mitten in der Weltwirtschaftskrise wurde er jedoch aufgrund seiner politischen Einstellung aus dem Verband ausgeschlossen. Matschke schloss sich daraufhin der Revolutionären Gewerkschafts-Opposition (RGO) an, die die KPD Ende 1929 gegründet hatte, um aus dem DMV ausgegliederten Gewerkschaftern eine neue Plattform zu bieten. Als Hauptkassierer engagierte er sich bis Juni 1933 innerhalb der Erwerbslosen-RGO der IG Metall. Bei den Wahlen am 13. November 1932 wurde er für die KPD in die Stadtverordnetenversammlung von Chemnitz gewählt. Mit seinen 33 Jahren war er damit der jüngste KPD-Vertreter im Stadtparlament.
Aufgrund seiner bisherigen politischen Tätigkeit wurde Matschke im Frühjahr 1933 von den Nationalsozialisten verhaftet. Zunächst wurde er im Polizeigefängnis Chemnitz festgehalten, bevor er am 8. Juni 1933 in das KZ Sachsenburg überführt wurde. Am 28. Mai 1934 wurde er aus der „Schutzhaft“ entlassen. Nach seiner Rückkehr arbeitete er als Dreher in der Gießerei G. Krautheim A.-G. in Chemnitz-Borna. Er sorgte dafür, dass die Betriebsgruppe der RGO weiterhin Bestand hatte und dass auch für die Rote Hilfe gesammelt wurde. Auch stellte er Kontakt zur illegalen Leitung der KPD in Chemnitz her. Gemeinsam mit Kurt Wieland, einem früheren Mitglied der Sozialistischen Arbeiterpartei, gründete er 1936 in dem Betrieb eine illegale Widerstandsgruppe, die bis zu 30 Personen (u. a. Herbert Witzschel, Kurt Dörr und Hellmut Dressler) umfasste. In den Folgejahren nahm die Gruppe Matschke-Wieland Verbindungen zu den Widerstandsgruppen um Ernst Enge (1940) und Rudolf Harlaß (1943) in Chemnitz auf. Als Skatfreunde getarnt, trafen sich die Mitglieder regelmäßig und besprachen ihre Aktionen. Ein Schwerpunkt ihrer Widerstandsarbeit war neben dem Verteilen von Flugblättern und der Sabotage der Rüstungsproduktion die Unterstützung sowjetischer Kriegsgefangener, die seit Herbst 1941 in der Gießerei verstärkt zur Zwangsarbeit eingesetzt wurden.
Die Widerstandsgruppe blieb auf Dauer nicht unentdeckt. Im Januar 1945 bestellte die Geheime Staatspolizei Matschke zu einem ersten Verhör, doch er wurde wieder freigelassen. Es folgten Denunziation und Verrat. Daher wurde er am 2. März 1945 wegen Abhörens ausländischer Sender und Zersetzungsarbeit in einem Rüstungswerk verhaftet und ins Chemnitzer Polizeigefängnis gebracht. Mit ihm zusammen wurden sechs weitere Mitglieder der Widerstandsgruppe festgenommen. Gerade in dieser Zeit war die Stadt das Ziel mehrerer verheerender Luftangriffe der anglo-amerikanischen Streitkräfte. Noch im Gefängnis konnte er am 18. März einen Kartengruß an seine Ehefrau aufsetzen, den diese aber erst eine Woche später erhielt. Darin erkundigte er sich nach dem Befinden der Familie und wollte wissen, wer „von uns“ ausgebombt wurde. Er schloss mit dem innigen Wunsch, „seid alle guten Mutes“.
Nach endlosen Verhören und Misshandlungen wurde Fritz Matschke am 27. März 1945 mit einem Sammeltransport in das KZ Flossenbürg überstellt. Die Chemnitzer Gestapo hatte an jenem Tag 58 Häftlinge – darunter auch Kurt Wieland, Paul Thümer und Richard Richter – in das 1938 errichtete Lager in der Oberpfalz verlegen lassen. Als die Nationalsozialisten das Lager räumen mussten, schickten sie die verbliebenen Häftlinge in mehreren Todesmärschen nach Dachau. Fritz Matschke und Kurt Wieland wurden am 19. April 1945 evakuiert, Richard Richter und Paul Thümer am Folgetag. An Typhus erkrankt, starb Fritz Matschke am 3. Mai 1945 als Häftling Nr. 5077 im Dachauer Krankenrevier. Nur der 52-jährige Richter überlebte. Er starb jedoch am 7. Juni 1950 an den Folgen des Todesmarsches in Herrenhaide bei Burgstädt.
Rosa Matschke hatte noch lange gehofft, ihren Ehemann wieder wohlbehalten in Chemnitz begrüßen zu dürfen. Von Friedrich Viertel, einem Chemnitzer Widerstandskämpfer, der seit dem 24. Juni 1944 ebenfalls im KZ Flossenbürg interniert war, erfuhr sie im November 1945, dass ihr Ehemann, schwer an Typhus erkrankt, ins Krankenrevier in Dachau gebracht worden war. Daraufhin wandte sich Tochter Elfriede an die Allgemeine Suchstelle der Kommunalabteilung für die Opfer des faschistischen Terrors beim Rat der Stadt Leipzig und bat diese um weitere Aufklärung. Das Internationale Informationsbüro Dachau teilte der Suchstelle am 23. Januar 1946 mit, dass Fritz Matschke am 3. Mai 1945 in dem Lager verstorben war. Die Todesnachricht wurde jedoch nicht an die Tochter, die damals in Leipzig wohnte, weitergeleitet. Deswegen wandte sie sich am 18. April 1946 selbst an das Informationsbüro, das wiederum am 4. Mai 1946 antwortete. Und so wurde es für die Ehefrau erst am 23. Mai 1946 zur traurigen Gewissheit, was sie seit Längerem vermutet hatte. Rosa Matschke, die selbst von den Behörden als Opfer des Faschismus bzw. Verfolgte des Naziregimes (Hinterbliebene) anerkannt worden war, arbeitete nach Kriegsende als Angestellte in der Stadtverwaltung. Sie starb am 7. Februar 1963 in Karl-Marx-Stadt.
Eine Gedenktafel am linken Torbogen des einstigen Mietshauses Reichsstraße 69 erinnerte bis in die 1990er-Jahre an Fritz Matschke. Die ehemalige Freigutstraße trägt seit Kriegsende seinen Namen. Die Untere Luisenschule hieß von 1967 bis 1991 Fritz-Matschke-Oberschule. Seit dem 27. Januar 2020 gedenkt eine Messingtafel im Chemnitzer Rathaus der zehn früheren Stadtverordneten, die von den Nationalsozialisten ermordet wurden. Auf der Tafel befindet sich auch Matschkes Name. In Anwesenheit eines Enkelsohnes wurde am 5. Oktober 2020 ein Stolperstein in Gedenken an Fritz Matschke in Chemnitz (Reichsstraße 69) verlegt.
Text: Dr. Jürgen Nitsche
Zur Person
Nachname: | Matschke |
Vorname: | Fritz Johannes |
Nation/Land: | Deutschland |
Geburtsdatum: | 16.12.1899 |
Geburtsort: | Chemnitz |
Sterbedatum: | 03.05.1945 |
Sterbeort: | KZ Dachau |
Letzter frei gewählter Wohnort: | Chemnitz |
Begräbnisstätte: | unbekannt |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
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Ergänzungen
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