Drittes sachsenweites Arbeitstreffen „Dokumentation – Auskünfte – Schicksalsklärung“
06.07.22
Am 28. Juni 2022 fand in der KZ-Gedenkstätte Sachsenburg bei Frankenberg/Sachsen das 3. Arbeitstreffen zum weiter gefassten Arbeitsbereich „Dokumentation“ statt. Wichtigstes Ziel der jährlichen Zusammenkünfte ist es, sich über Probleme, über neue Projekte, über aktuelle Ansätze sowie über neue oder auch bewährte Techniken und Methoden im Themenfeld auszutauschen. Zu dem Arbeitstreffen sind alle Beschäftigten bei den Arbeitsstellen der Stiftung Sächsische Gedenkstätten oder den von ihr geförderten Einrichtungen und Initiativen eingeladen, die mit Aufgaben in diesem Bereich befasst sind.
Nach der Begrüßung begann das Treffen mit einem Beitrag von Sven Hilbrandt (Berlin, ehemaliger Mitarbeiter der Topographie des Terrors). Er stellte die Möglichkeiten der Präsentation von Sammlungsbeständen auf dem Portal Gedenkstätte-digital (
https://gedenkstaetten.museum-digital.de) vor, die derzeit von 20 Gedenkstätten genutzt werden. In eine MySQL-Datenbank lassen sich auf unkomplizierte Art und Weise die wichtigsten Informationen zu Objekten der eigenen Sammlung sowie Abbildungen von ihnen erfassen, verschlagworten, beschreiben und sowohl über das Portal als auch über Web-Schnittstellen auf der je eigenen Gedenkstätten-Webseite sichtbar machen. Doch auch der Gebrauch zur nicht-öffentlichen Verwaltung der eigenen Bestände ist möglich. Die Diskussion seines Beitrags umfasste unter anderem Fragen zur statistischen Erfassung der Nutzung des Portals, zur Integration weiterer Sammlungsbestände (etwa Oral-History-Audiointerviews) sowie zu urheberrechtlichen Fragen. Herr Hilbrandt warb engagiert sowohl für eine intensivere Nutzung dieses Angebots als auch für die Vernetzung der mit digitaler Vermittlung befassten Beschäftigten in Gedenkstätten. Zugleich sei allerdings auch eine institutionelle Anbindung des Portals wünschenswert, die eine bessere Finanzierung ermögliche.
Andreas Salmhofer (KZ-Gedenkstätte Mauthausen | Mauthausen Memorial) stellte anschließend die zentrale Archivdatenbank (ZADB –
https://zadb.mauthausen-memorial.org), die Online-Präsentation „Raum der Namen“ (RDN –
https://raumdernamen.mauthausen-memorial.org), die interne Metadatenbank über ehemalige KZ-Häftlinge sowie die geplante Weiterentwicklung innerhalb der Gedenkstätte vor. In der ZADB sind von Fotografien über Namenslisten, Bibliotheksbestände, Objekte bis hin zu Oral-History-Interviews zahlreiche Archivalien erfasst und von Forschenden und Institutionen (Bibliotheken, Archive) aus einsehbar. Es wird aus technischen und organisatorischen Beweggründen, aber verstärkt auch aus Gründen des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns versucht, in den nächsten Jahren sämtliche Datenbanken, sowohl intern als auch extern (online sind gegenwärtig z. B. ZADB, RDN), in eine gesamte cloudbasierte Datenbank zu überführen. Dafür wird ein Zeitraum von bis zu fünf Jahren veranschlagt. Aufschlussreich waren auch die von Andreas Salmhofer konkret bezifferten Zeitaufwände für die Bearbeitung, das heißt Korrektur und Ergänzung, von biographischen Datensätzen in der Datenbank sowie im „Raum der Namen“.
Größere und kleinere Lösungen für die Digitalisierung und Langzeitarchivierung von Kulturgut präsentierte Klaus Lütkehölter von der Bielefelder Firma Walter Nagel. Das Unternehmen entwickelt für Archive, Universitäts- und Landesbibliotheken, Museen und andere öffentliche Einrichtungen – vorrangig im deutschsprachigen Raum – Hard- und Software, aber auch Konzepte, für die Digitalisierung, Webarchivierung und Online-Präsentation ihrer Bestände. Dies umfasst unter anderem die Auswahl der Objekte, die Erfassung von Metadaten, die Bildbearbeitung sowie die Entscheidung über eine öffentliche Freigabe. Die technische Entwicklung in der Scanner-Technik und bei der optischen Zeichenerkennung (OCR) mache Dinge möglich, an die vor zehn Jahren noch nicht zu denken gewesen sei. In der Diskussion des Vortrags ging es unter anderem um die Frage, ab welchem Umfang von Digitalisaten sich die angebotenen kommerziellen Lösungen rechnen. Herr Lütkehölter erläuterte, dass dies von zahlreichen Faktoren, unter anderem von der Art des Bestandes, abhänge. Von übergreifenden Portallösungen, zum Beispiel bei Bibliotheks- oder Museumsverbünden, profitierten vor allem die kleineren Einrichtungen, für die Einzellösungen zu teuer seien – ein wichtiger Hinweis für die weiteren Überlegungen zu Digitalisierungskonzepten in Sachsen.
Nach den „Blicken über den Tellerrand“ stellten die beiden abschließenden Beiträge konzeptionelle Überlegungen für Projekte in Sachsen vor. Jonas Kühne (Sächsische Landesarbeitsgemeinschaft Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus – sLAG
https://slag-aus-ns.de/), erläuterte unter dem Titel „Vom Wissensverlust zum Wissenstransfer“ das Konzept für die Erarbeitung einer sachsenweiten Datenbank zur Sicherung, Erschließung und Erfassung von Dokumenten und Materialien zur Erforschung lokaler NS-Geschichte, die bei Aufarbeitungsinitiativen, Vereinen und Einzelforschern lagern. Dazu zählen unter anderem Briefe, Mitschriften, Fotografien, Interviews und Presseartikel. Neben der Bestandssicherung soll die Datenbank gemeinsames Arbeiten und überregionales Recherchieren für Mitglieder der sLAG sowie nach rechtlicher Klärung auch für Nichtmitglieder, zum Beispiel für Schulklassen ermöglichen. Pilotprojekte sind unter anderem der Digitalisierung von Unterlagen zur NS-Zwangsarbeit in Sachsen sowie zur Geo-Referenzierung und -kartierung (Geomaping) von damit verbundenen Orten gewidmet. Aus der anschließenden Erörterung des Vorhabens, das von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern grundsätzlich begrüßt wurde, um Wissensverlust zu vermeiden, ging hervor, dass die Art, der Umfang sowie die Qualität der zu erwartenden Unterlagen weitgehend noch unklar ist und zunächst eine Bestandserhebung im Vordergrund steht.
Alexander Boger (Geschäftsstelle der Stiftung Sächsische Gedenkstätten) arbeitete im letzten Beitrag die Potenziale einer gemeinsamen Online-Datenbank der Bestände der Bibliotheken der Arbeitsstellen in direkter Trägerschaft der Stiftung Sächsische Gedenkstätten heraus. Diese umfassen insgesamt ca. 24 000 Titel verschiedener Medien und sind gegenwärtig in jeder Arbeitsstelle auf verschiedene Art und Weise elektronisch erfasst. Als Vorteile einer stiftungsübergreifenden einheitlichen Online-Bibliotheksdatenbank sah Herr Boger insbesondere die Möglichkeit der ortsunabhängigen Abfrage, die Vereinheitlichung der Systematik, Kosteneinsparungen durch geringeren Administrationsaufwand und den Verzicht auf Mehrfachanschaffung sowie die bessere Sichtbarkeit und Vernetzung innerhalb der Gedenkstättenlandschaft. Insbesondere sei ein Anschluss an die bei der Topographie des Terrors angesiedelte AG Gedenkstättenbibliotheken (
https://www.topographie.de/aggb/home/), aber auch an andere Verbundkataloge denkbar. Mit den Softwarelösungen „aStec“ und „Koha“ stellte Herr Boger zwei zeitgemäße Bibliothekssysteme vor. Wie die anschließende Diskussion verdeutlichte, bestehen zwar keine grundsätzlichen Vorbehalte gegen einen Zusammenschluss, weil die Sinnhaftigkeit offenkundig ist, doch gelten andere Probleme im Bereich der Sammlungen als derzeit dringlicher. Das Arbeitstreffen endete mit einem von Mykola Borovyk durchgeführten interessanten Rundgang über das Gelände des ehemaligen KZ Sachsenburg.
Als Fazit des 3. Arbeitstreffens kann festgehalten werden: Der regelmäßige fachliche Austausch ist insbesondere beim Thema „Digitalisierung von Sammlungen“ unerlässlich. Die technische Entwicklung stellt vor allem kleinere Einrichtungen vor erhebliche Herausforderungen. Gedenkstätten sollten bei ihrer Bewältigung nicht versuchen, das „Rad neu zu erfinden“, sondern sich für die Nutzung inzwischen bewährter und langfristig gepflegter Systeme zusammenschließen. Es gilt, den Schwung und die Anregungen des Arbeitstreffens zu nutzen und nunmehr „Nägel mit Köpfen“ zu machen. Das nächste Jahrestreffen 2023 sollte nicht nur die begonnene Tradition fortführen, sondern auch den Kreis der Teilnehmerinnen und Teilnehmer über den engeren Bereich der Stiftung Sächsische Gedenkstätten hinaus erweitern.
Kontakt:
Dr. Bert Pampel (Leiter der Dokumentationsstelle Dresden | Stiftung Sächsische Gedenkstätten)
Tel. 0351 4695548
bert.pampel@stsg.de
www.dokst.de