Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Leserinnen und Leser,
in der vergangenen Woche wurde bekannt, dass gegen einen 91jährigen Mann aus Döbeln, 50 km westlich von Dresden, ermittelt wird, der Wachmann im KZ Auschwitz-Birkenau gewesen ist. Kein ukrainischer Trawniki-Mann, wie John Demjanjuk, nein, ein Deutscher ist einer der noch lebenden "Täter unter uns". Warum hatte er sich zu diesem Dienst gemeldet, damals, mit Anfang 20? Welche Aufgaben erfüllte er in Auschwitz genau? Tat er "nur seine "Pflicht", tat er sich durch besondere Grausamkeit hervor oder zeigte er sich gar dann und wann mitmenschlich? Lebte er fast 70 Jahre unter seinem damaligen Namen so lange unerkannt bei uns? Was hat er seitdem gemacht? Wie hat er sich im Kollegen- bzw. Familienkreis verhalten oder geäußert? Deutsche Ermittler haben zu lange keine Eile bei der Suche nach NS-Tätern gezeigt, so dass viele dieser Fragen unbeantwortet bleiben werden.
Mit freundlichen Grüßen und guten Wünschen für den Jahreswechsel
Dr. Bert Pampel
Vorschau
10.12.2013 | Gedenkstätte Münchner Platz Dresden: Vortrag: "... hat sich am deutschen Volk versündigt." "Volksschädlinge" vor NS-Gerichten. Während der nationalsozialistischen Herrschaft beging die Justiz unzählige Verbrechen, die heute als Menschenrechtsverletzungen zu bewerten sind. Neben Widerstandskämpfern kamen auch zahlreiche Frauen und Männer während des Zweiten Weltkriegs wegen krimineller Handlungen vor Gericht. Sie wurden als „Volksschädlinge“ stigmatisiert und zu drakonischen Strafen verurteilt. Auch für kleinere Delikte wie dem Diebstahl von Postgut wurden Todesstrafen ausgesprochen. Ein Fünftel der in Dresden zwischen 1933 und 1945 vollstreckten Todesurteile beruhten auf der „Volksschädlingsverordnung“. Diese Strafrechtspraxis thematisiert Dr. Michael Löffelsender, Mitarbeiter der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, am Beispiel des Oberlandesgerichtsbezirks Köln und analysiert den Umgang mit dieser Opfergruppe nach 1945. > Mehr...
15.01.2013 | Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden: Konzertlesung mit Stefan Krawczyk: „Mein Freund, der Feind, ist tot“. Stefan Krawczyk, der zusammen mit Freya Klier in den 80er Jahren den Osten Deutschlands erschütterte und vielen Menschen Mut zum Engagement für Demokratie gab, wird an diesem Abend Rückschau halten auf den oppositionellen Widerstand gegen die SED, den Zusammenbruch der DDR, die Lebenswirklichkeit im Osten und das zusammenwachsende Deutschland. Unangepasste Musiker wie er waren in der DDR nicht willkommen. Ab 1985 erhielt er Berufsverbot, konnte nur unter dem Schutz der Kirche auftreten, wurde 1988 verhaftet und zusammen mit Freya Klier in den Westen abgeschoben. > Mehr...
NEUES AUS DER ARBEIT DER STIFTUNG UND IHRER GEDENKSTÄTTEN
Stiftung: Vertreter des Stiftungsrats zu Besuch in der Gedenkstätte: Am 25. November tagte in Zeithain der Stiftungsrat der Stiftung Sächsische Gedenkstätten. Aus diesem Anlass besuchten die Mitglieder des Rates, darunter unter anderem die Staatsministerin für Wissenschaft und Kunst, Prof. Sabine von Schorlemer, der Vertreter des Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Dr. Michael Roik, sowie der Geschäftsführer der Stiftung, Siegfried Reiprich, auch die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain. Der Gedenkstättenleiter Jens Nagel führte die Gäste durch die Gedenkstätte und zu den Friedhöfen der sowjetischen Kriegsgefangenen und gab dabei einen Einblick in die Geschichte des Ortes und die Arbeit der Gedenkstätte.
NEUES VON WEITEREN ZEITGESCHICHTLICHEN ERINNERUNGSORTEN IN SACHSEN
Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau: Der Kurzfilm „Anders jung sein“ gewann beim Sächsischen Schüler-Film-Festival am 23. November in Leipzig den 2. Preis in der Kategorie "ab 9. Klasse". Er entstand während des 2. Sächsischen Geschichts-Camps in der Gedenkstätte Geschlossener Jugendwerkhof Torgau. Der Film wurde von Schülern mit Unterstützung des Sächsischen Ausbildungs- und Erprobungskanals (SAEK) Torgau produziert. Die Teilnehmer des Geschichts-Camps spendeten das Preisgeld von 200 Euro für die Arbeit der Gedenkstätte. > Mehr...
RÜCKBLICK
27.11. | DIE WELT: „Sexueller Missbrauch war an der Tagesordnung“. In der DDR galt der Jugendwerkhof Torgau als Inbegriff Schwarzer Pädagogik. Mehr als 4000 Jugendliche wurden hier drangsaliert. Jetzt findet die Gedenkstätte Eingang in den Koalitionsvertrag. > Mehr...
05.12. | MDR 1 Radio Sachsen zum Tag der offenen Tür in der Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden > Mehr...
05.12. | Dresden Fernsehen zum Tag der offenen Tür in der Gedenkstätte Bautzner Straße Dresden > Mehr...
Kalenderblatt
22.12.1989: Entlassung der letzten politischen Gefangenen aus der Haftanstalt Bautzen II. Bereits im Oktober 1989 waren 23 Häftlinge des Gefängnisses Bautzen II infolge der vom Staatsrat der DDR am 27. Oktober verkündeten Amnestie für »Republikflüchtige« freigelassen worden. Bei den übrigen Inhaftierten wuchs daraufhin die Hoffnung, dass sich weitere Entlassungen anschließen würden. In den Medien setzte aufgrund der Amnestie eine Debatte über die Rechtsstaatlichkeit in der DDR ein. Bei der Bautzener Bevölkerung wurde die Haftanstalt Bautzen II von nun an Ziel ihrer Montagsdemonstrationen. Am 13. November versammelten sich Bürger deshalb nicht nur vor der Kreisdienststelle des MfS, sondern sie stellten auch erstmalig Kerzen vor dem benachbarten Gefängnis auf. In der Haftanstalt Bautzen I riefen unterdessen die Gefangenen vor laufender Kamera zu einem Arbeits- und Hungerstreik auf. Sie forderten verbesserte Haftbedingungen sowie eine umfassende Amnestie. Wie alle anderen Strafvollzugseinrichtungen der DDR, schlossen sich die Inhaftierten der Strafvollzugseinrichtung Bautzen II dem Streik an. Sie bildeten einen Gefangenenrat, der in einem Programm unter anderem sofortige Verbesserungen der Haftbedingungen sowie eine Generalamnestie forderte. Außerdem drohten die Häftlinge, den Arbeitsstreik auf einen Hungerstreik auszuweiten, sofern ihrem Wunsch nach Öffentlichkeit nicht stattgegeben werde. Da es in der Folgezeit zu keinem befriedigenden Ergebnis kam, traten die Inhaftierten in den Hungerstreik ein. Aufrufe und Telegramme der Insassen gelangten an die Öffentlichkeit und das Interesse an Bautzen II in den Medien und in der Bevölkerung nahm stetig zu. Am 7. Dezember wurden die Amnestiebestimmungen vom 6. Dezember erweitert und infolgedessen der Streik der Häftlinge beendet. Ab dem 12. Dezember begann man eine größere Anzahl der politisch Inhaftierten des Gefängnisses Bautzen II zu entlassen, bereits zehn Tage später verließen die letzten politischen Gefangenen die Haftanstalt. 1992 erfolgte die endgültige Schließung der Haftanstalt, ein Jahr später begann der Aufbau der Gedenkstätte Bautzen. > Mehr...
Foto: Gefangenenprotest in Bautzen I, 23.01.1990
Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1990-0123-048 / Häßler, Ulrich / CC-BY-SA
ZITAT DES MONATS
Die Geschichte der Menschen war nicht die Schlacht des Guten, das das Böse bezwingen will. Die Geschichte eines Menschen ist die Schlacht des großen Bösen, das das Körnchen Menschlichkeit zermahlen will.
Wassili Grossman, Leben und Schicksal, Berlin 2007, S. 501
IMPRESSUM
Stiftung Sächsische Gedenkstätten
Dülferstraße 1
01069 Dresden
Redaktion: Dr. Bert Pampel
pressestelle@stsg.smwk.sachsen.de
www.stsg.de
Die Stiftung Sächsische Gedenkstätten erschließt, bewahrt und gestaltet historische Orte im Freistaat Sachsen, die an die Opfer politischer Verfolgung sowie an Opposition und Widerstand während der nationalsozialistischen Diktatur oder der kommunistischen Diktatur in der SBZ/DDR erinnern.