Karl Wilhelm Fricke (*1929)
Karl Wilhelm Fricke wurde am 3. September 1929 in Hoym (Anhalt) geboren. Sein Vater Karl Oskar Fricke wurde 1946 von der sowjetischen Besatzungsmacht interniert und starb während seiner politischen Haft 1952 in Waldheim. Dieses Schicksal innerhalb seiner Familie prägte Fricke; so weigerte er sich beispielsweise, in die SED-Jugendorganisation FDJ (»Freie Deutsche Jugend«) einzutreten. Nach seinem Abitur arbeitete er kurze Zeit als Junglehrer an der Schule, an der bereits sein Vater unterrichtete. Am 22. Februar 1949 wurde Fricke während seines Unterrichts verhaftet, nachdem ihn eine Kollegin denunzierte, er habe sich parteikritisch geäußert. Fricke konnte aus dem Gewahrsam der Volkspolizei entkommen und floh im Februar 1949 aus der Sowjetischen Besatzungszone nach Westdeutschland. Zunächst studierte er in Wilhelmshaven, ab 1952 in Berlin Jura und Volkswirtschaft.
Gleichzeitig arbeitete er freiberuflich als Journalist. Fricke spezialisierte sich frühzeitig auf DDR-Themen und wendete sich besonders der Problematik der politischen Verfolgung zu. Frickes erster Artikel beschäftigte sich mit den Waldheimer Prozessen. Er suchte Kontakt zur Pressestelle der Berliner Abteilung des Ministeriums für gesamtdeutsche Fragen, zur Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit und zum Untersuchungsausschuss Freiheitlicher Juristen und nutzte deren Informationen für seine journalistische Arbeit.
Die Staatssicherheit der DDR wurde auf Frickes Artikel und Kommentare aufmerksam und beschloss, ihn als »Feind der DDR« mundtot zu machen. Mit Hilfe von Inoffiziellen Mitarbeitern wurde er am 1. April 1955 in eine »konspirative Wohnung« in West-Berlin gelockt und durch ein Betäubungsmittel in einem Getränk bewusstlos gemacht. Seine Entführer verschleppten ihn, versteckt im Kofferraum eines Autos, von West- nach Ost-Berlin. Er gehörte zu mehreren hundert Entführungsopfern, die vom Ministerium für Staatssicherheit gewaltsam in die DDR gebracht wurden. Er kam für 467 Tage in das Stasi-Untersuchungsgefängnis Berlin-Hohenschönhausen. Frickes Mutter Edith wurde als vermeintliche Mitwisserin und Unterstützerin am 6. April 1955 vom MfS verhaftet und im Februar 1956 zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Karl Wilhelm Fricke wurde am 11. Juni 1956 vom 1. Strafsenat des Obersten Gerichts der DDR in Ost-Berlin »wegen Verbrechen gegen Artikel 6 der Verfassung der DDR« und »Kriegs- und Boykotthetze« zu vier Jahren Zuchthaus unter Anrechnung der Untersuchungshaft verurteilt. Fricke verbüßte seine Freiheitsstrafe zuerst in der Strafvollzugseinrichtung Brandenburg-Görden. In der Nacht vom 8. zum 9. August 1956 wurde er mit anderen »Staatsfeinden« als einer der ersten Häftlinge in das Stasi-Sondergefängnis Bautzen II verlegt. Seine Haftzeit verbrachte Fricke in strenger Isolation, die mit seiner Einweisung in den Strafvollzug vom MfS angeordnet wurde. Während seiner Gefangenschaft verweigerte Fricke die Arbeit in Bautzen II.
Am 31. März 1959 wurde Fricke nach Ablauf seiner vollständigen Haftzeit nach West-Berlin entlassen. Er arbeitete wieder als Journalist und Publizist und veröffentlichte zahlreiche Bücher zur politischen Justiz in der DDR und zur Staatssicherheit, die schnell zu Standardwerken wurden. Von 1970 bis 1994 war er als leitender Redakteur der Ost-West-Redaktion beim Deutschlandfunk in Köln tätig. Als »Stimme des Ostens« (Kowalczuk) berichtete er wie kaum ein anderer Journalist jahrzehntelang über Opposition und Widerstand in der DDR, wovon hunderte Radiobeiträge, Aufsätze und nochmals tausende Zeitungsbeiträge zeugen. Das MfS überwachte Fricke bis 1989 auch in der Bundesrepublik.
1991 hob das Landgericht Berlin das Urteil gegen ihn auf. Seit der Wiedervereinigung engagiert sich Fricke in zahlreichen Gremien. Fricke war sachverständiges Mitglied der Enquete-Kommissionen des Bundestages zu Geschichte und Folgen der SED-Diktatur. Für seine Beiträge zur Geschichte des Widerstandes in der DDR und zur Aufarbeitung der SED-Diktatur erhielt er 2001 das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.
Karl Wilhelm Fricke lebt und arbeitet heute in Köln.
Zur Person
Nachname: | Fricke |
Vorname: | Karl Wilhelm |
Nation/Land: | Deutschland |
Geburtsdatum: | 03.09.1929 |
Geburtsort: | Hoym (Sachsen-Anhalt) |
Orte/Stationen der Verfolgung/Haft |
|
Ergänzungen
Quelle(n)/ Literatur |
Karl Wilhelm Fricke/Silke Klewin: Bautzen II. Sonderhaftanstalt unter MfS-Kontrolle 1956 bis 1989, Dresden 2007. Karl Wilhelm Fricke: Akten-Einsicht. Rekonstruktion einer politischen Verfolgung, Berlin 1996. Karl Wilhelm Fricke/Peter Steinbach/Johannes Tuchel: Opposition und Widerstand in der DDR. München 2002. Karl Wilhelm Fricke: Politik und Justiz in der DDR. Zur Geschichte der politischen Verfolgung 1945-1968, Köln 1979. |
Dokument(e) | |
Links: |
Sie kennen bzw. wissen etwas über Karl Wilhelm Fricke? Dann schreiben Sie uns bitte eine
E-Mail oder nehmen auf anderem Weg Kontakt mit uns auf.
Eine weitergehende Nutzung der hier abgebildeten Fotografien und Dokumente, zum Beispiel für eine Veröffentlichung, bedarf unserer Zustimmung.