Ehemalige Fluchthelfer erhalten das Bundesverdienstkreuz
26.10.12
Die Fluchthelfer und ehemaligen politischen Gefangenen der Stasi-Sonderhaftanstalt Bautzen II, Dieter Hötger und Hartmut Richter, werden am Montag, den 29. Oktober 2012, mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande ausgezeichnet. Mit ihnen werden dreizehn weitere ehemalige Fluchthelfer in dieser Weise geehrt.
Fluchttunnel, umgebaute Fahrzeuge, gefälschte Pässe – die Hilfsmittel zur Flucht waren zwar vielfältig, eine Garantie auf Erfolg gab es jedoch nie. Nicht nur fluchtwillige DDR-Bürger, sondern auch ihre Helfer liefen stets Gefahr, von der Staatsicherheit festgenommen zu werden. In der DDR wurde Fluchthilfe als »Staatsfeindlicher Menschenhandel« oder »Verleitung zur Republikflucht« verfolgt und mit hohen Haftstrafen geahndet. Zahlreiche der in Bautzen II eingesperrten Männer und Frauen versuchten aus persönlichen oder idealistischen Gründen, Angehörige, Freunde und auch ihnen unbekannte Menschen aus der DDR zu holen.
Dieter Hötger grub 1962 mit seinem Freund Siegfried Noffke einen Tunnel unter der gerade erst errichteten Mauer von West- nach Ost-Berlin, um seine Ehefrau aus der DDR zu holen. Nachdem der Plan an die Staatssicherheit verraten wurde, starb Siegfried Noffke beim Fluchtversuch im Kugelhagel, Dieter Hötger überlebte schwer verletzt. In Bautzen II sollte er seine neunjährige Zuchthausstrafe verbüßen. 1967 gelang Dieter Hötger als einzigem Häftling des Hochsicherheitsgefängnisses eine spektakuläre Flucht. Erst über eine Woche nach seinem Ausbruch wurde er gefasst und kam bis zu seinem Freikauf 1972 erneut nach Bautzen II.
Hartmut Richter durchschwamm 1966 den Teltowkanal nach West-Berlin und konnte so aus der DDR fliehen. Wenige Jahre später begann er, anderen DDR-Bürgern bei ihrer Flucht in den Westen zu helfen. Bis 1975 holte er 33 Menschen über die Transitstrecken in die Bundesrepublik. Als Richter im März 1975 am Grenzübergang Berlin-Drewitz verhaftet wurde, befand sich ausgerechnet seine in der DDR lebende Schwester im Kofferraum seines Autos. Mit der Höchststrafe von 15 Jahren kam Hartmut Richter 1977 nach Bautzen II. 1980 wurde auch er von der Bundesrepublik Deutschland freigekauft.
Kurz nach dem Mauerbau galten die Fluchhelfer im Westen Deutschlands noch als Helden. Ab den 1970er Jahren wurden sie jedoch auch dort als Störenfriede abgetan, die die Entspannungspolitik gefährdeten. Mit der jetzigen Verleihung des Verdienstkreuzes sollen nun jene Menschen gewürdigt werden, die dem Leben der Anderen zur Freiheit verhelfen wollten – sogar unter dem Einsatz ihres eigenen Lebens.
Nachtrag, 29. Oktober 2012: Die Verleihung der Bundesverdienstkreuze wird der Berliner Senator für Inneres und Sport, Frank Henkel, im Dienstgebäude der Senatsverwaltung für Inneres und Sport in Berlin um 18 Uhr vornehmen.
Weitere Informationen erhalten Sie von Sven Riesel, Öffentlichkeitsarbeit Gedenkstätte Bautzen, Telefon 0 35 91 - 53 03 62 oder Email sven.riesel@stsg.smwk.sachsen.de