Gohrischheide endlich wieder offen - Besucher können ab 2011 das seit knapp 70 Jahren gesperrte Naturschutz-Gebiet über einen Geschichtspfad erleben
Sächsische Zeitung vom 9.11.2010
Udo Lemke und Antje Becker
Endlich ist der Durchbruch da. Voraussichtlich schon im nächsten Jahr dürfen Anwohner und Touristen wieder offiziell zumindest einen Teil der Gohrischheide betreten. Das kündigte der Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde des Landkreises Andreas Christel jetzt an. Seit über 70 Jahren war das etwa 2100 Hektar große Areal zwischen Zeithain, Nauwalde und der brandenburgischen Grenze gesperrt. Aufgrund der militärischen Nutzung und der daraus resultierenden Munitionsbelastung sowie wegen des Naturschutzes. Doch an das Verbot hielten sich vor allem viele Einheimische nicht, es gab immer wieder Ärger mit den Behörden.
Ehrenhain ist Ausgangspunkt
Die haben sich nun zusammen an einen Tisch gesetzt und den Weg für einen 2,5 Kilometer langen Geschichtspfad frei gemacht. Ausgangspunkt dafür soll die Gedenkstätte Ehrenhain an der B169 in Zeithain sein. Von da führen dann laut Christel ein unbefestigter Weg und Hinweistafeln bis zur Hasenschänke in Jacobsthal und dem ehemaligen Kriegsgefangenenlager. Dort könnte ein historisches Foto an das Lager erinnern und zudem sogenannte archäologische Schaufenster über die Ergebnisse der bisherigen Grabungen informieren.
Denn das einstige Lager für sowjetische Kriegsgefangene, die zwischen 1941 und 1945 am Bahnhof Jacobsthal ankamen und in einer der gut hundert Holzbaracken vegetieren mussten, ist buchstäblich verschwunden - in einer Landschaft aus hohem Gras, niedrigen Büschen und vereinzelten Baumgruppen, die unter Naturschutz steht. Gohrischheide und Elbniederterrasse Zeithain nennt sich das 1993 eingerichtete Schutzgebiet.
Trotzdem plant die Gedenkstätte Ehrenhain Zeithain schon seit Jahren, hier einen Ort der Erinnerung zu schaffen. Denn das Lager dürfte den traurigen Rekord für sich beanspruchen, dass nirgends mehr sowjetische Kriegsgefangene in Deutschland umkamen als hinter seinen Stacheldrahtzäunen. Zwischen 25000 und 30000 Soldaten wurden Opfer von systematischem Aushungern, von Krankheiten und Seuchen und dem Terror der Wachmannschaften, informierte die Gedenkstätte.
Gemeinsam mit dem Landesamt für Archäologie wurden in dem fast 50 Jahre lang durch die Rote Armee als Panzer-Übungsplatz genutzten Gelände Überreste der Lagerbauten lokalisiert. Seit 2003 werden im Rahmen von internationalen Jugendcamps archäologische Sondierungsgrabungen durchgeführt. Die „professionelle Funddokumentation“ sei Grundlage für eine 2007 erarbeitete Projektskizze für die Errichtung eines „Geschichtspfades Lager Zeithain" gewesen, erklärte der Gedenkstätten-Leiter Jens Nagel.
Dabei solle der nahezu ausgelöschte Geschichtsort durch behutsame Eingriffe in die Landschaft wieder nacherlebbar gemacht werden. Die Projektskizze sieht unter anderem vor, dass Streifenfundamente und Bodenplatten ehemaliger Lagerbaracken frei gelegt werden, Unterkunftsbaracken durch Giebeldreiecke visualisiert und Schutzbauten für einige wenige ehemalige Baracken errichtet werden. Zudem sollen Informationstafeln aufgestellt und ein Teil der Schotter-Lagerstraße freigelegt werden. Dazu müsste auch ein Wegesystem angelegt werden. Weil das Gebiet als munitionsverseucht gilt - pro Quadratmeter werden noch über eine Tonne militärische Hinterlassenschaften vermutet - müsste links und rechts der Wege ein sechs Meter breiter Streifen durch den Kampfmittelbeseitigungsdienst beräumt werden. Die Besucher könnten sich dann auf diesen Wegen frei bewegen, der Rest der Heide bleibe aber weiterhin tabu, so der Denkmalschutz-Mann Christel.
Er will nun aber zunächst die Pläne der Gedenkstätte Ehrenhain abwarten. Sind die eingereicht, sei binnen weniger Wochen mit der Genehmigung zu rechnen und könne die Umsetzung des Geschichtspfades beginnen.