Rede S.E. Botschafter der Republik Kasachstan
Herrn Nurlan Onzhanov, Zeithain, 23. April 2010
Sehr geehrte Frau Dr.von Schorlemer,
Sehr geehrte Frau Dombois,
Sehr geehrter Herr Müller,
Liebe Kriegsveteranen!
Meine Damen und Herren!
Der Zweite Weltkrieg, in den über sechzig Länder der Welt einbezogen waren, war eine der schrecklichsten Seiten in der Geschichte der Menschheit. Millionen Menschen waren auf den Schlachtfeldern gefallen, in den Konzentrationslagern getötet oder vermisst. Darunter waren auch nicht wenige Bürger aus meinem Land, aus der ehemaligen Sowjetrepublik Kasachstan.
Jede Familie in Kasachstan wurde von diesem Krieg betroffen und hatte diese ungeheure Last mitzutragen. In jenen schwierigen Jahren wurden in Kasachstan Dutzende Divisionen, Brigaden und einzelne Einheiten aufgestellt. Wenn vor dem Krieg in Kasachstan etwa 6 Millionen 200 Tausend Menschen lebten, so wurde ein Viertel der Bevölkerung an die Front geschickt, von dem über die Hälfte gefallen war.
Trotz aller Schwierigkeiten fiel die Menschheit vor dem ungeheuren Feind nicht auf die Knie, ließ sich nicht unterkriegen und hat ihre Ehre und Freiheit durchgekämpft. Dank dem persönlichen Mut und die Heldentat der sowjetischen Soldaten und Offiziere wurde gegen den Faschismus der entscheidende und vernichtende Schlag geführt, und der Feind wurde besiegt.
Zu allen Zeiten und bei allen Völkern wird das Schicksal der Häftlinge als schwierigstes Leid im Leben des Menschen betrachtet. Während des Zweiten Weltkriegs hatte diese tragische Erscheinung riesige Maßstäbe bekommen.
Das Schicksal eines jeden Häftlings hat sich verschieden gestaltet. Die einigen starben vor Hunger, Kälte, Krankheiten oder unmenschlicher Zwangsarbeit, die anderen wurden mit Gas vergiftet, totgequält oder erschlagen, die dritten wurden wegen Fluchtversuchs und Sabotage erschossen, noch die anderen kämpften auch bei Todesgefahr selbst in der Haft durch verschiedene Widerstandsformen und -methoden gegen den Nazismus.
Die Heldentat dieser Menschen in der Haft hat gezeigt, dass man selbst unter extremen Bedingungen seiner Pflicht, seiner Heimat und seinem Volk treu bleiben kann.
Beim Lesen von Dokumenten und Erinnerungen der ehemaligen Kriegsgefangenen kommt man auf den Gedanken, wie viele begabte und talentierte junge Menschen dem Krieg und der Gefangenschaft zum Opfer gefallen waren, wie vielen dieser verfluchte Krieg das Schicksal gebrochen hat. Das Schicksal dieser- meistens jungen- Menschen, die in ihr bewusstes Leben eigentlich erst eingetreten waren, war beispiellos hart.
Der Sieg über den Faschismus und über seine Verbündeten war möglich nur dank der Einheit der Menschen, dem Massenheroismus auf den Schlachtfeldern und der selbstlosen Arbeit im Hinterland. In dem unsere Väter für die Freiheit und Unabhängigkeit ihr Leben opferten, zeigten sie durch ihren Mut und die Heldentat ein Beispiel, wie man seinem Volk und seinem Land dienen muss.
Die Generation, die die Schwierigkeiten des Krieges auf sich genommen hat, ist und bleibt Stolz unserer Gesellschaft. Am Vorabend dieses Datums, des 65.Jahrestages des Sieges über den Hitlerfaschismus, neigen wir unsere Häupter im Gedenken der Gefallenen im Zweiten Weltkrieg. Wir gedenken ihrer in Ehren und der Veteranen aller Staaten, die unseren gemeinsamen Sieg errungen haben.
In diesem Zusammenhang möchte ich der „Stiftung Sächsische Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer politischer Gewaltherrschaft“ und anderen Stiftungen meinen herzlichen Dank aussprechen, weil sie es mit ihrer unermüdlichen Tätigkeit ermöglicht haben, dass die Erinnerung an die Verstorbenen und Ermordeten nicht verblasst, dass wir ihre Namen erfahren und an unsere Kinder und Enkelkinder das Vermächtnis weitergeben können, den Frieden und die Völkerfreundschaft zu bewahren.
Im Namen der Familienangehörigen, die jetzt wissen, wo ihre Nächsten begraben liegen, danke ich all denen, die für ihre Gräber sorgen und den Hinterbliebenen die Möglichkeit geben, ihren Vätern und Großvätern die letzte Ehre zu erweisen.
Denn das menschliche Gedächtnis ist eben die Kraft, die Schrecken des vergangenen Krieges wachzurufen, und stets daran erinnert, dass der Allmächtige den Menschen das Leben geschenkt hat, nicht einander zu töten, sondern in Frieden und Eintracht zu leben. Dieser Appell ist besonders aktuell heute und hier, wo Tausende begraben liegen.
Der heutige Tag ist ein Tag des Gedenkens der Opfer des Krieges, ein Tag der Mahnung an die Lebenden, ein Tag der Wahrnehmung unserer Verantwortung vor den kommenden Generationen, ein Tag des Kampfes für den Frieden in der Welt, in einer Welt ohne Atomwaffen, ohne Massenvernichtungswaffen, ohne Hass gegen andere Nationen und Völker.
Auch das multinationale Volk Kasachstans neigt sich vor den Toten und nimmt diesen Tag wahr, um alle zum Völkerverständnis, zum Frieden und zur Toleranz aufzurufen. Die Geschichte, ihr Vermächtnis und das menschliche Gedächtnis rufen uns auf, alles zu tun, damit es nie wieder zu einem Krieg kommt.
Danke.